Was macht ein Bischof
im Leistungskurs Erdkunde?
Als ich auf den Hemeraner
Herbsttagen der ehemaligen Schülerin Elisa Nguyen
(Abitur 2006) begegnete, ahnte ich noch nicht, wozu
das führte.
Frau Nguyen, die mittlerweile in der Schweiz
studiert und in ihrer freien Zeit über 30 Länder
bereist hat, erzählte während des Treffens von ihrer
Leidenschaft für das Couch-Surfing. So gelangte sie
auf einer ihrer Reisen durch das Afrika südlich der
Sahara auch in ein Dorf in Uganda, ca. 240 Meilen
von der Hauptstadt Kampala entfernt, wo sie von der
Familie von Bischof Sanyu John Bosco herzlich
aufgenommen wurde und einen sehr intensiven Einblick
in das Kleinstadtleben in einem Entwicklungsland
erhielt. Im Gegenzug bot sie Bischof Bosco an, sie
in Deutschland zu besuchen. Im Rahmen dieses aktuell
stattfindenden Gegenbesuchs stellte sie ihm auch
ihre ehemalige Schule, das Woeste-Gymnasium vor. Da
ich diese Gelegenheit, einen authentischen Bericht
aus einem Entwicklungsland zu erhalten, nicht
ungenutzt lassen wollte, lud ich Frau Nguyen und
Bischof Bosco zu mir in den Leistungskurs Erdkunde
ein, wo die beiden auf Englisch Uganda vorstellten.
Frau Nguyen schmückte die Erklärungen des Gastes mit
eigenen Reiseerlebnissen aus und dolmetschte, wo es
nötig war.

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Obwohl es Uganda mit einem Human Development Index von
0,51 ganz knapp in die Gruppe der Länder mit mittlerem
Entwicklungsstand geschafft hat, sind die
Lebensbedingungen dort sehr hart. Auch in Frau Nguyens
Unterkunft gab es kein fließendes Wasser, von anderen
sanitären Anlagen ganz zu schweigen. Die meisten
Straßen sind unbefestigt, Schulen liegen weit
auseinander. Dass Kinder fast 13 km zu Fuß zur Schule
laufen müssen und natürlich nach Schulschluss auch
wieder zurück, ist keine Seltenheit. Natürlich gibt es
keine Beleuchtung oder Sicherheit vor wilden Tieren.
Manchmal, vor allem in der Regenzeit, ähneln die
Routen eher Schlammrinnen und sind unpassierbar.
Öffentliche Verkehrsmittel wie Busse sind rar,
Motorradtaxis die einzige Alternative, doch nicht
jeder kann sich eines leisten, erst recht nicht bei
Benzinpreisen, die nahe an unseren liegen. Neben dem
vollkommen anderen Lebensstil ist es vor allem die
Exotik des Naturraums des knapp nördlich des Äquators
liegenden Landes mit seinen Berg- und Regenwäldern
sowie Savannen, von denen für uns Mitteleuropäer eine
besondere Faszination ausgeht. Und Bischof Bosco ist
stolz auf die Wildheit und Schönheit seines Landes,
verleugnet aber auch nicht den Interessenkonflikt
zwischen Naturschutz einerseits und dem Siedlungs- und
Versorgungsdruck einer stark wachsenden Bevölkerung
andererseits.
Und die Bevölkerung der Landes ist unglaublich jung
und wächst und wächst: Rund 75 % der Menschen sind
jünger als 30 Jahre alt. Erwachsene sieht man im
Alltag eher selten, dafür viele Kinder, die als
Straßenkinder, vielfach sich selbst überlassen, in
unglaublicher Armut leben, vegetieren. Dreijährige,
die am Straßenrand sitzend Schotter verkaufen und von
der Hand in den Mund leben, Kinder, die trotz
existierender Schulpflicht nie eine Schule von innen
sehen, sondern auf den Feldern arbeiten oder Feuerholz
sammeln, weil sich die Eltern das Schulgeld nicht
leisten können, sind Realität. Chancenlos vor allem
sind die zahlreichen Kinder, die sich ohne Eltern
durchs Leben schlagen müssen, weil diese den in Uganda
am meisten verbreiteten Krankheiten zum Opfer gefallen
sind: Malaria und AIDS.
Gerade diesen Kindern widmet sich Bishop Bosco, der
neben einer sehr aktiven, großen Gemeinde auch ein
Waisenhaus für 157 Kinder gegründet hat und diese
ernährt, erzieht und für ihre schulische Bildung
sorgt. Die ältesten besuchen bereits die Universität.
In der Bildung dieser Kinder liege die Zukunft seines
Landes, so der Bischof. Und er ist ein Pragmatiker.
Wenn sich ein Schulbau verzögert, fährt er schon mal
selbst vorbei und bringt zwei Säcke Zement mit, damit
der Bau voran geht. Und er weiß: Besucher aus anderen
Ländern bringen ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit
ein. So ist in Zusammenarbeit mit französischen Gästen
auf dem Dach eines Hauses eine große Zisterne
errichtet worden, um das Regenwasser zu sammeln und
nutzen zu können. Aber am dringendsten benötigt er
natürlich Geld. Geld, um weitere Dorfschulen zu
errichten, Lehrer zu bezahlen oder seinen Schützlingen
den Besuch einer weiterführenden Schule ermöglichen zu
können.
Text: A. Heuer-Zachau
Foto: E. Nguyen